Österreichische Journalisten in Berg-Karabach

Vom 19. bis 23. September 2016 fand in Zusammenarbeit mit dem Österreichisch Armenischen Komitee für Gerechtigkeit und Demokratie sowie der European Armenian Federation for Justice and Democracy (EAFJD) eine Reise österreichischer Journalisten nach Berg-Karabach statt.
Martin Staudinger von der Wochenzeitschrift profil und Thomas Seifert von der täglichen Wiener Zeitung haben zahlreiche Treffen in Yerevan gehabt, bevor die Delegation nach Berg-Karabach gefahren ist. In Yerevan fanden Treffen mit dem Direktor des Genozid-Museums Hayk Demoyan, dem Botschafter der OSCE – The Organization for Security and Co-operation in Europe in Armenien, SE Argo Avakov, dem Vize-Außenminister Shavarsh Kocharyan, dem internationalen Sekretär der Dashnaktsutyun Partei, Giro Manoyan und mit einigen Vertretern verschiedener Nichtregierungsorganisationen statt.
In Berg-Karabach hat sich die Delegation mit dem Präsidenten des Parlaments, Ashot Ghulyan, dem Ombudsmann Ruben Melikyan, der Vize-Außenministerin Armine Alexanyan sowie Vertretern von einer Jugend- und einer Flüchtlings- Nichtregierungsorganisation getroffen. Hervorzuheben ist der Besuch zur Organisation The HALO Trust, die mit der Entfernung von Landminen eine wichtige Arbeit in Berg-Karbaach durchführt. In Martuni fand ein Treffen mit hochrangigen Vertretern der Armee statt, bevor die Delegation an die Kontaktlinie zwischen Berg-Karabach und Aserbaidschan gebracht wurde. Einige hundert Meter von Aserbaidschan entfernt, hatten die Journalisten die Möglichkeit, junge Soldaten vor Ort zu befragen und sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Am letzten Tag wurde gemeinsam mit dem Bürgermeister Valen Petrosyan die Ortschaft Talish besucht, welche im 4-tägigen Krieg vollständig zerstört wurde. Die Delegation besuchte mit ihm gemeinsam das zerstörte Rathaus sowie die Schule, bevor einige Flüchtlinge in den benachbarten Dörfern interviewt wurden.

Foto: Die Delegation mit der Vize-Außenministerin Armine Alexanyan

Աւստրիացի լրագրողներ Արցախ այցելեցին

19-23 Սեպտեմբեր 2016-ին Աւստրիոյ Հայ Դատի Յանձնախումբի գլխաւորութեամբ եւ համագործակացութեամբ Եւրոպայի Հայ Դատի Գրասենեակին, Աւստրիացի թղթակիցներ «Փրոֆիլ» շաբաթաթերթէն Մարթին Շթաուտինկերն ու Թովմաս Սէյֆերթը «Վինէր Ցայթունկ» օրաթերթէն Արցախ այցելեցին։ Նախքան Արցախ ժամանելը թղթակիցները Երեւանի մէջ հանդիպեցան Ցեղասպանութեան Թանգարանի Տնօրէն Հայկ Դէմոյեանի, Հայաստանի մէջ ԵԱՀԿ-ի դեսպան Արկօ Ավագովի, Հայաստանի Արտ. Գործ. Փոխ Նախարար Շաւարշ Քոչարեանի, Հ.Յ.Դ. Բիւրոյի անդամ Կիրոյ Մանոյեանի եւ շարք մը ոչ կառավարական կազմակերպութիւններու հետ։
Արցախի մէջ պատուիարկութիւնը հանդիպումներ ունեցաւ Արցախի Ազգ. Ժողովի նախագահ Աշոտ Ղուլեանի, Մարդկային Իրաւանց Պաշտպան Րուբէն Մելիքեանի, Արցախի Արտ. Գործ. Փոխ Նախարար Արմինէ Ալէքսանեանի ինչպէս նաեւ երիտասարդական ու փախստականներու հարցերով զբաղող միութիւններու հետ։ Տեղին է նշել նաեւ, թէ տեսակացութիւն կատարուեցաւ Արցախի համար շատ կարեւոր «ՀԱԼՕ» հիմնադրամին հետ, որ Արցախի մէջ ականազերծում կը կատարէ։ Նշեալ հանդիպումներու կողքին, լրագրողներու խումբը Մարտունիի մէջ Արցախի բանակի հրամանատարներու հետ տեսակցեցաւ ու այցելեց Արցախի ու Ազրպէյճանի միջեւ եղող շփման գիծը եւ հնարաւորութիւն ունեցաւ տիրող իրավիճակին ծանօթանալու։ Վերջին օրը, գիւղապետ Վալեն Պետրոսեանի հետ խումբը այցելեց Թալիշ գիւղը, որ քառօրեայ պատերազմի ժամանակ ամբողջութեամբ քանդուած էր։ Թալիշի շրջակայքը գտնուող գիւղերուն մէջ թալիշցի փախստականներու հետ հանդիպումը իսկական ու տպաւորիչ պատկերներ փոխանցեցին լրագրողներուն տիրող կացութեան մասին։

Berg-Karabach
An der Frontlinie eines eingefrorenen Konflikts

Von Thomas Seifert aus Stepanakert

Zwischen den Armeen von Berg-Karabach und Aserbaidschan kommt es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen.

(WIENER ZEITUNG) Stepanakert. Der Name Maria Ohanyan steht auf dem grünen Schulheft, das in der zerstörten Schule von Talish im Staub liegt. Die Schule im Norden der umstrittenen Provinz Berg-Karabach wurde am 2. April 2016 von Artilleriegranaten getroffen, Schulbänke und Sessel liegen herum, die Fenster sind zersplittert, die Türen wurden von den Explosionen aus den Rahmen gerissen. Überall Schutt, Trümmerteile, Metallstücke, Glas- und Holzsplitter.

Nun hält Vilen Petrosian, Bürgermeister von Talish, das Schulheft in der Hand, blättert darin und ist sichtlich bewegt. Sein Dorf Talish gibt es nicht mehr, seit den Kämpfen im April sind die Menschen geflüchtet. Maria, erzählt der Bürgermeister, ist eine Klassenkameradin seiner Tochter, doch die Zeilen der Zwölfjährigen bringen die Erinnerung an jene Zeit zurück, da im heute zerstörten Gebäude noch Schüler herumwuselten und die Schulkorridore von ihrem Stimmengewirr erfüllt waren.

In den Schulaufsätzen von Maria Ohanyan geht es um Berge, grüne Wiesen, blauen Himmel und Heimatliebe. Patriotismus ist im Curriculum der Schulen großgeschrieben, denn Berg-Karabach befindet sich seit 1991 im Krieg. Im Krieg mit Aserbaidschan. Somit ist für Maria Ohanyan, die 12-jährige Schülerin aus Talish die Sache klar: Sie liebt ihre Heimat, in der Schule lernt sie, dass Arzach (Berg-Karabach) der vorderste Posten des Christentums in dieser Region ist. In ihrer Schule ist von Selbstbestimmung für die Bewohner von Berg-Karabach die Rede, von Unabhängigkeit, Menschenrechten und Freiheit.

Zwei Narrative

Wo aber Krieg herrscht, ist es für unbeteiligte, neutrale Beobachter immer sehr schwer, Fakten und Propaganda auseinanderzuhalten, wo Krieg herrscht, konkurrieren Narrative, wo jede Seite ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Geschichte hat. Wo jede Seite die eigenen Heroen verehrt und die eigenen Opfer beklagt.

Die Bewohner von Talish nennen ihre Heimat Berg-Karabach Arzach, ein Name, der auf eine Provinz des Königreiches Armenien zurückgeht. Für Aserbaidschan wiederum ist Berg-Karabach eine abtrünnige Provinz, die auch international nicht anerkannte Regierung in Stepanakert, das man in Aserbaidschan Xankendi nennt, nichts anderes als eine Marionettenregierung des Nachbarn Armenien. Das umstrittene Gebiet gilt in Aserbaidschan als Teil eines “kaukasischen Albanien”, dem die Rolle als historischer Vorläufer des heutigen Aserbaidschans zugeschrieben wird.

Marias Heimatliebe

Der Bürgermeister nimmt das Schulheft der Maria Ohanyan mit ins 37 Auto-Kilometer südwestlich gelegene Alashan, wohin die Familien nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten geflohen sind. Maria sitzt gerade in einer Klasse, in der behelfsmäßig für die Flüchtlingskinder eingerichteten Schule, als Bürgermeister Petrosian mit ihrem alten Schulheft ins Lehrerzimmer kommt. Maria wird aus der Klasse geholt, der Bürgermeister übergibt ihr das Heft und die scheue 12-Jährige liest dann mit überraschend fester Stimme aus ihren Aufsätzen vor. Maria hat ihre Gewissheiten. Sie liebt ihre Heimat, sie kennt die Geschichte des Landes, in dem sie lebt. Und seit sie mit den restlichen Bewohnern des Dorfes Anfang April fliehen musste, hat sie auch am eigenen Leib erfahren, wie gefährdet ihre Existenz und wie fragil die politische Lage hier ist. Jetzt lebt sie mit ihren Eltern, ihren zwei Geschwistern und ihrer Großmutter in einer Flüchtlingsunterkunft. Nach ihren Zukunftsplänen gefragt, hat sie aber eine erstaunlich konkrete Antwort: Sie möchte eines Tages Journalistin werden, sagt sie, dass das Lieblingsfach der Tochter einer Lehrerin armenisch ist, sollte ihr bei der Verwirklichung ihre Zukunftspläne helfen. Allerdings: Die Vergangenheit droht wieder und wieder ihre Schatten auf die Zukunft zu werfen, solange es nicht gelingt, eine Friedenslösung für Berg-Karabach zu finden. Zukunftspläne in diesem Land zu schmieden braucht ein gerütteltes Maß Optimismus.

Die Schatten der Vergangenheit

Menschen sind, das musste die 12-jährige Maria am eigenen Leib erfahren, nichts weiter als Schachfiguren am Brett der Geschichte.

Der letzte Präsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, schreibt in seinen 1995 erschienen “Erinnerungen”: “Der Streit um Berg-Karabach reicht bis ins Altertum, in raue Vorzeit zurück. Seit eh und je lebten auf diesem fruchtbaren Boden Seite an Seite zwei Völker (Armenier und Aserbaidschaner, Anm.), das Land aber besaßen immer wieder unterschiedliche Herren (Kurden, Araber, Perser, Osmanen und schließlich Russen, Anm.). Zweihundert Jahre lang gehörte es zu Persien. Überwiegend war die Gegend jedoch von Armeniern besiedelt, deren uralter Traum, sich mit der Heimat zu vereinen, kurz nach der Revolution (von 1917, Anm.) fast in Erfüllung gegangen wäre.” Doch es kam anders, Berg-Karabach blieb bei Aserbaidschan. Und schon vor dem Zerfall der Sowjetunion kam es immer wieder zu Feindseligkeiten zwischen Armeniern und Aserbaidschanern. Die polnische Reporterlegende Ryszard Kapuscinski bereiste anfang der 90er Jahre Berg-Karabach, seine Reportage ist im 1994 erschienen Buch “Imperium” nachzulesen, wo einer seiner Gesprächspartner zitiert ist: “Wir sitzen in der Falle. Wir sind unter der Besatzung von Moskau, aber wenn Moskau von hier abzieht, dann fallen wir unter die Besatzung von Baku (Aserbaidschans Hauptstadt, Anm.).”

An der Front: Krieg um Bergkarabach

Von Martin Staudinger (3.10.2016)

(Profil) Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird um die armenische Enklave Bergkarabach gestritten und verhandelt -und dennoch scheint eine Lösung des Konflikts aussichtsloser denn je. Ein Frontbesuch macht klar, warum das so ist.

Er ist noch einmal in seine alte Heimat zurückgekommen: Beim Apfelbaum muss er sich ein wenig bücken, so tief hängt ein Ast mit dicken Früchten über den Weg. Auf der Stiege weicht er Büscheln von Unkraut aus, die im Sommer über die Stufen gewuchert sind. Vor dem Eingang knirschen Glasscherben und zerbrochene Morphium-Ampullen unter seinen Sohlen. An der sperrangelweit aufgerissenen Tür steigt er über den Rüssel einer kaputten Gasmaske hinweg. Ein Schritt ins Halbdunkel, dann steht Vilen Petrosyan in dem Gebäude, in dem er 23 Jahre als Bürgermeister amtiert hat.

Das Rathaus der kleinen Ortschaft Talish sieht nicht nur aus wie nach einem Bombenangriff – es wurde tatsächlich von schweren Geschossen getroffen: Artilleriegranaten und Raketen hätten dort eingeschlagen, sagt Petrosyan. Teile des Blechdachs hängen zerknautscht über den Balkon, andere hat die Wucht der Explosionen in die angrenzende Wiese geschleudert. Fensterscheiben gibt es nicht mehr, in ehemaligen Büros sind Akten und Papiere verstreut. Ein Luftzug blättert in den Seiten eines Gesetzbuchs, das offen auf dem Boden liegt. Ähnliche Verwüstungen zeigen die Schule, der Gemeindesaal und viele Häuser von Talish. Die Schäden stammen von Kämpfen, die im vergangenen Frühling um das Dorf im äußersten Norden von Bergkarabach geführt wurden: jener armenischen Enklave, die sich vor mehr als zwei Jahrzehnten für unabhängig erklärt hat, international bislang aber nicht anerkannt wurde; die von Aserbaidschan für sich beansprucht wird; und die in einer symbiotischen Beziehung mit seiner Schutzmacht Armenien lebt.

Der Krieg, der Anfang der 1990er-Jahre um Bergkarabach, auf Deutsch “Gebirgiger schwarzer Garten”, geführt wurde, forderte Zehntausende Todesopfer. Seit 1994 gibt es zwar einen Waffenstillstand, der jedoch immer wieder verletzt wird – üblicherweise unter gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die Kontrahenten könnten unterschiedlicher kaum sein. Auf der einen Seite Armenien: ein Land mit Tausende Jahre zurückreichender Geschichte und einem Volk, das vom Osmanischen Reich fast durch einen Genozid ausgerottet worden wäre; eingeklemmt zwischen feindseligen Nachbarn, ohne nennenswerte Bodenschätze und Zugang zum Meer; bei Weitem nicht lupenrein demokratisch, aber mit Ambition, europäischen Werten nachzueifern.

Auf der anderen Seite Aserbaidschan: Keine 100 Jahre alt, aber seit fast einem Vierteljahrhundert vom selben Familienclan regiert; eine auf Ölfeldern gebaute Autokratie, wie man sie auch im postsowjetischen Zentralasien findet; in Verruf geraten durch Menschenrechtsverstöße und Repressionen gegen Oppositionelle und Journalisten.

Dass sich im Konflikt um Bergkarabach beide im Recht fühlen, ist nicht überraschend. Allerdings haben beide auch durchaus valide Argumente -und gleichzeitig so viel zu verlieren, dass es für niemanden opportun scheint, den ersten Schritt einer Annäherung zu setzen. Die sogenannte “Kontaktlinie”, die Bergkarabach von Aserbaidschan trennt, wurde zu einem weitläufigen System aus Befestigungen ausgebaut, in dem einander die Truppen beider Seiten belauern und von Zeit zu Zeit beschießen. Nach fast 25 Jahren scheint eine friedliche Lösung weiter entfernt denn je.

Eigentlich wollte Bürgermeister Vilen Petroyan am 2. April Geburtstag feiern. Stattdessen verbrachte er das erste Wochenende nach Ostern damit, die Evakuierung von Talish zu organisieren. Um drei Uhr früh, erzählt der 52-Jährige, sei er durch Detonationen aus dem Schlaf gerissen worden. Auf die Gemeinde ging ein Hagel von Granaten nieder, Dorfleute irrten in Panik durch die Straßen.

Gerüchte machten die Runde: Aserbaidschanische Soldaten hätten sich in Talish eingeschlichen, den örtlichen Militärstützpunkt erobert und Zivilisten ermordet. Tatsächlich fand man später mehrere Tote -darunter ein altes Ehepaar, das erschossen und verstümmelt worden war. Gleichzeitig brachen in mehreren Abschnitten der sogenannten “Kontaktlinie” Gefechte aus. Am 5. April hatten es die Streitkräfte von Bergkarabach geschafft, die Angreifer zurückzuschlagen. Es war die schlimmste Eskalation seit Vereinbarung des Waffenstillstands im Jahr 1994. Anschließend machten sich die Kontrahenten wie gewohnt wechselseitig dafür verantwortlich.

Bergkarabach und Armenien sprechen von einem “Blitzkrieg” Aserbaidschans. Aserbaidschan gibt an, lediglich auf Provokationen Armeniens reagiert zu haben. Zudem seien seine Truppen gar nicht nach Talish vorgedrungen: “Wenn wir in dem Dorf gewesen wären, hätten wir es behalten”, heißt es aus dem dortigen Außenministerium. Nur -wer hat dann das alte Ehepaar umgebracht? Die Bilanz des Vier-Tages-Krieges ist jedenfalls für beide Seiten ernüchternd: Jeweils rund 100 tote Soldaten auf beiden Seiten, zerstörte Privathäuser, öffentliche Gebäude und Infrastruktureinrichtungen, keine bedeutsamen Geländegewinne.

Während in Aserbaidschan viele Schäden bereits mit staatlicher Hilfe beseitigt wurden, ist Talish zum Geisterdorf verkommen. Schon einmal, im Jahr 1994, war die Gemeinde Schauplatz schwerer Kämpfe gewesen. Damals lebten noch fast 2700 Einwohner hier, zuletzt waren es nur noch 576.

Der Vier-Tage-Krieg 2016 hat Talish den Rest gegeben. Auf den Bäumen verkommen Granatäpfel und Feigen, ein Esel streunt zwischen den Ruinen zweier Kriege umher, abgesehen von den Soldaten der Grenzgarnison harrt niemand mehr aus. “Es ist zu gefährlich”, sagt Bürgermeister Petrosyan, während er sich in der ebenfalls schwer beschädigten Schule umsieht: “Wir können jederzeit wieder angegriffen werden.”

Das Gebäude, das bei Ausbruch der Auseinandersetzungen gerade renoviert wurde, liegt auf einer Anhöhe. Im ersten Stock geht der Blick weit auf feindliches Gebiet hinaus. An einer Hügelkuppe wenige Kilometer östlich sind mit freiem Auge aserische Stellungen auszumachen.

Talish sei “von alters her Adlernest und Ausguck der Armenier” gewesen, schrieb der “Spiegel” bereits 2006 über das Dorf, das im Jahr 461 nach Christus erstmals urkundlich erwähnt wurde. Jetzt scheint diese 1555 Jahre lange Geschichte an ihr Ende gekommen zu sein.

“Wenn das so ist, dann endet hier auch meine Geschichte”, sagt Petrosyan: “Ich werde zu einer Person, die ihre Vergangenheit verloren hat. Ich war mein halbes Leben hier Bürgermeister, und ich will nicht der letzte gewesen sein.”

Dann macht er sich auf den Rückweg in seine neue Heimat, einem knapp 40 Kilometer entfernten Flüchtlingslager, in dem einige Familien aus Talish untergebracht wurden. Er blättert in einem grünen Schulheft, das bei der Räumung der Schule in einem der Klassenzimmer zurückgelassen wurde. Es gehört einem Mädchen namens Meri Ohanyan, und einer der Aufsätze trägt den Titel “Ich bin eine Blume meiner Heimat”.

Petrosyan liest und lächelt, während der Wagen eine Straße entlangrumpelt, die Pioniere der Streitkräfte von Bergkarabach vor Kurzem in den Boden gepflügt haben. Ein hoher Erdwall schirmt die Fahrbahn Richtung Osten ab. In unmittelbarer Nähe dahinter befindet sich die “Kontaktlinie”. Und der Feind mit seinen Scharfschützen.

Wer wissen will, wie im vergangenen Jahrhundert Stellungskriege geführt wurden, bekommt an der “Kontaktlinie” eine lebhafte Vorstellung davon. Eine endlose Gravur von Schützengräben durchzieht die Landschaft, betonierte Laufgänge führen von Unterstand zu Unterstand, an den zum Schutz gegen Beschuss und Splitter aufgeschütteten Böschungen laufen Drähte entlang, die mit rostigen Konservendosen behängt sind und als primitive Alarmanlage dienen. Soldaten beobachten durch zentimeterdünne Sichtschlitze die gegnerischen Linien, vor denen Minenfelder liegen. Manchmal fliegt eine Kuh in die Luft, die sich dorthin verirrt hat. Ab und zu plärren die Aseris über Lautsprecher Beschimpfungen auf Armenisch. Einmal haben sie einen Hund herübergejagt, mit einem Zettel um den Hals, auf den Verwünschungen gekritzelt waren. Sehr oft schießen sie.

“Meistens aus Angst”, vermutet einer der Soldaten aus Bergkarabach, die an der “Kontaktlinie” Dienst tun: “Sie hören etwas, fürchten sich und drücken ab. Dann feuern wir zurück, aber bewusst daneben. Wir müssen ja zeigen, dass wir da sind.” Die meisten hier sind Rekruten, keine 20 Jahre alt und ohne Bart im Gesicht. Ihre Vornamen geben sie nicht preis, ihre Berufswünsche schon. Der 18-jährige Chatschatryan möchte nach den zwei Jahren Militärdienst Zahntechniker werden, einer seiner Kameraden Koch, ein anderer Buchhalter. Ob sie Angst haben? Die Burschen zögern einen Moment, aber da sagt ihr Oberstleutnant schon freundlich-bestimmt “Nein” und legt Chatschatryan die Hand auf die Schulter.

Nein? Dabei müssen sie, wenn man ihren Vorgesetzten glaubt, jeden Tag mit einer Offensive der Aseris rechnen. Ein paar Kilometer hinter der Front nimmt Oberst Grigoryan, Kommandant des Regiments, einen Schluck starken Tee, zieht an seiner Zigarette und stupst die Asche weg: “Im Vergleich zu April schießen sie seltener. Dafür trainieren sie mehr. Da drüben laufen Vorbereitungen. Ziel ist es wahrscheinlich, einen Angriff durchzuführen. Aber sie werden keinen Erfolg haben: Was in Talish passiert ist, war das erste und das letzte Mal.”

Die Befürchtung, der verhasste und gefürchtete Nachbar werde bald wieder einen Vorstoß nach Bergkarabach unternehmen, äußert nicht nur in der Enklave, sondern auch in Armenien fast jeder Gesprächspartner.

Wie überhaupt -da sind sich alle einig -den Aseris alles zuzutrauen sei. Die Aseris sehen das umgekehrt ganz ähnlich.

Es ist aber auch zu viel geschehen zwischen den beiden Völkern. Beide wurden Opfer von Gräueltaten. Und beide wissen um ihre eigenen.

Man muss weit in die Geschichte zurückgehen, um den Anfang der Feindschaft zu finden. Zumindest bis ins Mittelalter, in dem innerhalb des armenischen Königreichs das Fürstentum Arzach existierte: ein Name, der bis heute als Synonym für Bergkarabach geführt wird. Die Aseris wiederum wollen historische Wurzeln im Khanat* Karabach erkennen, das im 17. Jahrhundert dort entstand.

Man darf nicht vergessen, wie tief das Trauma des Völkermordes sitzt, der Anfang des 20. Jahrhundert an den Armeniern begangen wurde – von den Osmanen, mit denen die Aseris eng verbunden sind; auch nicht, dass die Aseris mit Unterstützung der Osmanen bereits zwischen 1918 und 1920 Krieg gegen die Armenier führten, unter anderem um Bergkarabach; und ebensowenig, dass Aserbaidschan auch heute eng mit der Türkei, dem Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches, befreundet ist.

Und man muss sich daran erinnern, dass Stalin Bergkarabach in UdSSR-Zeiten gegen den Willen Armeniens der Sowjetrepublik Aserbaidschan zuschlug; allerdings als autonome Region, um der Tatsache Rechenschaft zu tragen, dass die dortige Bevölkerung zu 70 bis 80 Prozent aus Armeniern bestand -womit die Feindschaft kaschiert, aber nicht beseitigt wurde, sondern im Gegenteil vertieft. 1988, die Sowjetunion schwächelte bereits beträchtlich , endete die Illusion von oben verordneter Völkerfreundschaft und setzte lange Zeit unterdrückte Animositäten frei: In Aserbaidschan kam es zu Pogromen gegen Armenier, die eine Massenflucht zur Folge hatten.

Bis 1990 verließen Hunderttausende von ihnen das Land. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nahmen die Armenier blutige Rache, vertrieben ebenfalls Hunderttausende Aseris und kämpften nicht nur Bergkarabach frei, sondern auch eine weit darüber hinausreichende Pufferzone, die je nach Angaben acht bis 20 Prozent des benachbarten Territoriums umfasst. Aserbaidschan wiederum sicherte sich die Exklave Nachitschewan an der iranisch-türkischen Grenze und verjagte die dortigen Armenier. Um es weiter zu komplizieren, stammen sowohl der amtierende Präsident Armeniens, Sersch Sargsjan, als auch sein Vorgänger aus Bergkarabach -und Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev ebenso wie sein Vorgänger (und Vater) Haydar Aliyev aus Nachitschewan.

Mehr als 1000 Jahre hatten in der Region Angehörige beider Ethnien zusammengelebt. Die Vertreibung von 750.000 Aseris und 300.000 Armeniern besiegelte auf beiden Seiten einen Zustand der ethnischen Säuberung.

Dass all das keine gute Basis für eine Einigung ist, zeigt der Umstand, dass die Verhandlungen seit über 20 Jahren auf der Stelle treten. Als Vorbedingung verlangen die Aseris unter Berufung auf mehrere UN-Resolutionen die Rückgabe von Bergkarabach und der umliegenden, armenisch besetzten Gebiete. Die Regierung von Bergkarabach wiederum will nur reden, wenn sie als anerkannter Verhandlungspartner am Tisch sitzt. Das eine wie das andere ist undenkbar.

“Ich sehe keine Möglichkeit, in naher Zukunft zu einer friedlichen Lösung zu finden”, sagt Ashot Ghoulian, Parlamentspräsident von Bergkarabach, gegenüber profil. “Wir hören von den Armeniern immer nur die gleichen Phrasen. Das macht nicht optimistisch”, heißt es aus Aserbaidschan. Währenddessen wird dies-und jenseits der Kontaktlinie trainiert, gegraben, befestigt. Und aufgerüstet.

Die neue Heimat von Vilen Petrosyan liegt 37 Straßenkilometer von Talish entfernt in Alashan, einem ehemaligen Erholungsheim am Sarsang- Stausee. 28 Familien aus dem im Vier-Tage-Krieg zerstörten Dorf wurden hier in spartanischen Holzhäusern untergebracht. Gekocht und gegessen wird auf den überdachten Terrassen, wie sie über den Winter kommen sollen, ist noch nicht klar: Öfen und Heizungen gibt es vorerst nämlich nicht.

Mit dem Aufsatzheft in der Hand macht sich der Bürgermeister auf die Suche nach Meri Ohanyan. Er findet sie in der Schule, in der auch ihre Mutter als Lehrerin arbeitet. Ob sie ihren Text vorlesen könne, fragt er die Zwölfjährige im Konferenzzimmer. “Ich bin eine Blume meiner Heimat”, beginnt Meri: “Meine Heimat ist für mich etwas ganz Wertvolles. Ich liebe meine Heimat, sie ist für mich die ganze Welt. Meine Heimat hat viel Schmerz ertragen müssen, hat Kriege erlebt – ist aber nicht verloren gegangen, sondern stark geblieben. Der Feind hat versucht, uns unsere Heimat wegzunehmen, hat es aber nicht geschafft. Wir Armenier sind sehr fleißige Menschen, wir sind aber auch stark und haben keine Angst vor dem herzlosen Feind.”

Wahrscheinlich gibt es jenseits der “Kontaktlinie” kleine Mädchen, die ähnliche Aufsätze schreiben.

Ո՞վ է Թալիշում ծեր զույգի սպանողն ու մարմինը խոշտանգողը. ավստրիական «Profil» ամսագրի հոդվածը քառօրյա պատերազմի մասին

(tert.am) Ավստրիական «Profil» ամսագիրն Արցախի, քառօրյա պատերազմի և Թալիշ գյուղի մասին հոդված է հրապարակել։ ՀՀ արտաքին գործերի նախարարության մամուլի, տեղեկատվության և հասարակայնության հետ կապի վարչությունը տրամադրել է հոդվածի հակիրճ թարգմանությունը։

«Հակամարտության կողմերից Հայաստանը հազարավոր տարիների պատմություն ունեցող երկիր է, որի ժողովուրդը օսմանյան կայսրության իրականացրած ցեղասպանության հետևանքով գրեթե վերանալու էր աշխարհի երեսից: Երկիր, որ շրջափակված է երկու թշնամի հարևաններով, չունի արժեքավոր հանածոներ և ելք դեպի ծով: Երկիր, որտեղ ժողովրդավարությունն անթերի չէ, բայց որը ձգտում է եվրոպական արժեքներին:

Հակամարտության մյուս կողմը` Ադրբեջանը, ունի ընդամենը 100 տարվա պատմություն, և այդ 100 տարվա շուրջ քառորդ մասը նույն ընտանեկան կլանի իշխանության տարիներն են: Ինչպես Կենտրոնական Ասիայի նախկին խորհրդային հանրապետությունները, Ադրբեջանը ևս վարկաբեկված է մարդու իրավունքների ոտնահարումների, ընդդիմադիրների և լրագրողների դեմ գործվող բռնությունների պատճառով:

Ապրիլյան դեպքերը Լեռնային Ղարաբաղի ու Հայաստանի կողմից որակվում են որպես Ադրբեջանի «Blitzkrieg»-ի փորձ: Ադրբեջանը պնդում է բացառապես հայկական սադրանքներին պատասխանելու վրա: Բաքուն նույնիսկ ժխտում է ադրբեջանական զինված ուժերի մուտքը Թալիշ. «Եթե մենք մտնեինք գյուղ, այն չէինք հանձնի»,-նշել է արտգործնախարարությունը: Այդ դեպքում հարց է ծագում. ո՞վ է Թալիշում ծեր զույգի սպանողն ու մարմինը խոշտանգողը:

Քառօրյա պատերազմից երկու կողմերի կրած վնասները հավասարակշռության մեջ են. շուրջ 100-ական զոհ երկու կողմերի զինված ուժերում, ավերված տներ, ենթակառույցներ և տարածքային ոչ արժեքավոր նվաճումներ:

Եթե Ադրբեջանի պետական օժանդակության արդյունքում մի շարք վնասներ հաղթահարվել են, Թալիշը մնում է ավերակների մեջ:

Դեռ 2006 թվականին «Շպիգելը» գրում էր, որ Թալիշը հնուց եղել է հայերի «արծվաբույնն ու դիտակետը», որի մասին աղբյուրները հիշատակում են սկսած 461 թվականից: Սակայն թվում է, թե այդ 1555-ամյա պատմությունն իր ավարտին է մոտեցել:

Միջնադարում հայկական թագավորության մաս էր կազմում «Արցախ» անունով իշխանությունը: Մինչ օրս «Արցախ» անվանումը օգտագործվում է որպես համարժեք «Լեռնային Ղարաբաղ» անվանմանը: Ադրբեջանը ցանկանում է իր պատմական արմատները 17-րդ դարում ձևավորված Ղարաբաղի խանությունում տեսնել:

Չպետք է նաև մոռանալ, թե ինչքան ամուր է օսմանյան թուրքերի կողմից իրագործված Հայոց ցեղասպանության մասին հիշողությունը, և որ ազերիները սերտորեն կապված են օսմանյան թուրքերի հետ:

Չպետք է մոռանալ նաև, որ 1918-1920թթ., օսմանյան թուրքերի հետ համատեղ, ազերիները պատերազմում էին հայերի դեմ նաև Լեռնային Ղարաբաղի համար: Այսօր էլ Ադրբեջանը սերտորեն կապված է Օսմանյան կայսրության իրավահաջորդ Թուրքիայի հետ:

Պետք է նաև հիշել, որ խորհրդային ժամանակներում Ստալինը հայերի կամքին հակառակ Լեռնային Ղարաբաղը միացրեց Խորհրդային Ադրբեջանին: Ղարաբաղի բնակչության 70-80 տոկոսը կազմող հայերի սիրաշահելու նպատակով Լեռնային Ղարաբաղին տրվեց ինքնավար մարզի կարգավիճակ, ինչը, սակայն, ոչ միայն չմեղմեց հայերի ու ադրբեջանցիների թշնամանքը, այլև ավելի խորացրեց:

Խորհրդային Միության հոգեվարքի տարիներին Ադրբեջանում իրականացվեցին հայերի զանգվածային կոտորածներ: Հարյուր հազարավոր հայեր ստիպված էին լքել իրենց տները: Խորհրդային Միության փլուզումից հետո հայերը վրեժխնդիր եղան` քշելով հարյուր հազարավոր ադրբեջանցիների և ազատագրելով ոչ միայն Լեռնային Ղարաբաղը, այլ նաև մի մեծ բուֆերային գոտի, որը, ըստ տարբեր տվյալների, կազմում է հարևան երկրի 8-20 տոկոսը:

Ադրբեջանի գործողությունների արդյունքում Նախիջևանն ամբողջապես հայաթափվեց:

750.000 ադրբեջանցիների և 300.000 հայերի փախստական դառնալը երկու կողմերում հանգեցրեց էթնիկ զտման իրավիճակի:

20 տարի է` բանակցություններն արդյունք չեն գրանցել: Ադրբեջանը, վկայակոչելով ՄԱԿ-ի բանաձևերը, պահանջում է Լեռնային Ղարաբաղի և հարակից շրջանների վերադարձ: Մինչդեռ Արցախը պատրաստ է խոսել բանակցությունների սեղանին ճանաչված կողմ դառնալուց հետո միայն:

Արցախի ԱԺ նախագահ Աշոտ Ղուլյանը մոտ ապագայում հարցի խաղաղ կարգավորում չի տեսնում: Ադրբեջանից նշում են. «Մենք Հայաստանից միշտ նույն խոսքն ենք լսում, ինչը լավատեսական ոչինչ չի նշանակում»:

Այդ իսկ պատճառով շփման գծի այս և այն կողմերում վարժեցվում են, փորում և ամրացնում: Եվ զինվում»: